16.05.2007

Der Patriot

G8-Gipfel spaltet die Linke

Kontroverse Diskussion in Lippstadt um den Sinn der Proteste gegen das Treffen der führenden Industrienationen in Heiligendamm

Lippstadt. Protestieren gegen die in ihren Augen "rücksichtslose Globalisierung mit den Folgen neoliberaler Politik von Sozialdumping bis Umweltzerstörung": Das wollen viele Globalisierungsgegner anlässlich des bevorstehenden G8-Gipfels der führenden Industrienationen Anfang Juni in Heiligendamm. Auch in Lippstadt gibt es ein Anti-G8-Bündnis, das zur Teilnahme an der geplanten Großdemonstration am 2. Juni in Rostock aufruft und dazu einen Bus einsetzt. Um hierfür möglichst viele Gleichgesinnte zu mobilisieren, veranstalteten die Globalisierungskritiker jetzt eine Podiumsdiskussion im Kunstturm, bei der es überraschend kontrovers zuging: dank des linken Publizisten Thomas Ebermann, der einst für die Grünen im Bundestag saß.

Ebermann misst dem Treffen der Regierenden der mächtigsten Industrienationen nicht die große Bedeutung zu, wie es die Globalisierungskritiker tun: Die G8, so Ebermann, seien keinesfalls ein verschworener, exklusiver Club, sondern in erster Linie Konkurrenten, die sich in vielen Punkten gar nicht einig seien. Russland etwa sei gar nicht auf neoliberalem Kurs, dort werde doch gerade wieder die ökumenische Bedeutung des Staates enorm vorangetrieben. Und: "Auch die kleineren Industrieländer verfechten meist nichts anderes als die acht großen", so Ebermann, der bei den Globalisierungsgegnern eine grundsätzlichere Kapitalismuskritik vermisst.

Darüber hinaus sei es zwar lobenswert, dass in Rostock Leute für offene Grenzen demonstrieren, so wie der Diskussionsteilnehmer Frank Gockel, dessen von ihm geleiteter Verein "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren" 2006 mit dem Aachener Friedenspreis ausgezeichnet wurde. Andererseits würde bei den Protesten auch ein Politiker wie Oskar Lafontaine mitmischen: Gerade der aber sei doch u.a. ein Befürworter von abgeschotteten Flüchtlingslagern in Nordafrika gewesen, so Ebermann.

Die Publizistin Christine Buchholz, Mitglied des WASG-Bundesvorstandes, widersprach deutlich: Der Protest gegen den Gipfel sei legitimiert und notwendig; zwischen den G8-Staaten gebe es zwar Differenzen, dennoch verursache ihr Handeln entscheidende, negative Auswirkungen auf der ganzen Welt, vor allem in den ärmeren Regionen.

Der heimische DGB-Vorsitzende Heinz Rittermeier argumentierte ähnlich: Man müsse doch wissen, wer der Hauptfeind ist; für die Gegner gelte es, einen Gemeinschaftskonsens zu finden, um gehört zu werden. "Der G8-Protest ist immerhin eine erste Stufe, um bessere Bedingungen zu erreichen", wies auch Michael Bruns vom Lippstädter G8-Bündnis Ebermanns Bedenken entschieden zurück.

Bildunterschrift: Der linke Publizist Thomas Ebermann (2.v.r.) hält nicht viel vom Protest gegen den G8-Gipfel, für den sich (v.l.) Heinz Rittermeier, Christine Buchholz, Manfred Weretecki sowie Frank Gockel jetzt bei einem Treffen in Lippstadt aussprachen.