24.12.2009

Der Patriot

Vom Knast ins Ungewisse

Fortgeschickt: In der JVA Büren warten 195 Männer auf ihre Abschiebung

"Man merkt bei vielen die Verzweiflung", sagt Leiter Volker Strohmeyer.

Büren. Sie sind auf der Suche nach Unterschlupf. Oft mit der Angst im Nacken sind sie aus ihrer Heimat geflohen. Zu viele Gefahren lauern dort. Krieg, Armut, Hunger, Unterdrückung. Jetzt sitzen sie hinter Gittern. 195 ausländische Männer ohne Aufenthaltsgenehmigung sind zur Zeit in der Bürener Justizvollzugsanstalt in Abschiebungshaft. Während rund um den Erdball die Menschen aufs Christkind warten, warten sie auf ihre Abschiebung. Für die meisten geht es in eine ungewisse Zukunft.


Zum Beispiel für Antonio Jovanovic. Der 22-Jährige ist Roma und kommt aus Serbien. Er hat bereits in Deutschland gelebt, ging zwischendurch freiwillig wieder nach Serbien. Kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland ("Ich wollte gerade Asyl anmelden") haben ihn die Behörden aufgegriffen. Seit dem 7. Dezember sitzt er nun in der JVA Büren in Abschiebungshaft. Seine Freundin Mirveta Geelen kommt ihn regelmäßig besuchen. Alle zwei Tage reist sie aus Essen mit dem Zug an. Dann sitzen die beiden eng umschlungen im Besucherraum der JVA. Sie sehen aus wie ein ganz normales verliebtes Pärchen. Wären da nicht verriegelte Türen, Gitterstäbe und Beamte, die allseits ein wachsames, wenn auch verständnisvolles Auge auf die Inhaftierten haben.

"Gerade zu Weihnachten ist es besonders traurig", sagt Mirveta Geelen. Ihre großen Augen füllen sich mit Tränen. Ihr Freund Antonio verbringt das Fest der Liebe im Kreise der Fremden in der JVA. Privater Besuch wird für diesen Tag gestrichen. Dafür gibt es Gottesdienste für verschiedene in der Abschiebungshaft vertretene Religionen. Für den jungen Roma ein schwacher Trost.

Als Maria und Josef auf dem Weg von Nazareth nach Bethlehem eine Herberge suchten, schwand die Hoffnung wohl auch schnell. Niemand wollte das Paar einlassen. Die beiden zogen von Haus zu Haus. Überall schlug ihnen Abweisung und Unverständnis entgegen: "Nein, nein, nein, es kann nicht sein, da geht nur fort, ihr kommt nicht rein!" Für Maria und Josef und das Kind, das sie erwarteten, war kein Platz. Und wie viel Platz gibt es heute für "Fremde"?

"Ich glaube, ich werde in zwei, vielleicht drei Monaten abgeschoben", sagt Antonio Jovanovic, der auch zwei Kinder in Deutschland hinterlässt. Hoffnung auf ein kleines Wunder hat er kaum. Seine Familie, seine Freunde und seine große Liebe leben in Deutschland. In Serbien wird er allein sein. Dort erwartet ihn neben der Einsamkeit die Armee. Eine trostlose Aussicht, die sein Weihnachtsfest begleitet.

Jacky Simon ist seit sieben Jahren in Deutschland. In der JVA Büren wartet er nun auf seine Abschiebung nach Kamerun. Der 39-Jährige arbeitet in der Werkstatt, um sich ein bisschen Geld dazu zu verdienen und sich vom Alltag im Knast abzulenken. Gerade die Weihnachtszeit ist für ihn schwierig zu überstehen. "Christmas in jail is not christmas", - Weihnachten im Gefängnis ist kein Weihnachten, sagt er und senkt resigniert den Blick.

"Man merkt bei vielen die Verzweiflung", sagt Volker Strohmeyer, Leiter der JVA Büren. Er ist sich der Situation der Abschiebungshäftlinge durchaus bewusst, betont immer wieder die Unterschiede zum Strafvollzug. Unbegrenzte Besuchszeiten, zwei von insgesamt vier Abteilungen sind offen, drei mehrsprachige Betreuer kümmern sich um die Abschiebungshäftlinge und schließlich die Anpassung an die verschiedenen Religionen. "Hier werden alle Religionen gelebt, auch der Speiseplan ist darauf ausgerichtet", so Strohmeyer.

Und doch ist es nun mal ein Knast. Maria und Josef haben schließlich Unterschlupf gefunden - nicht bei hilfsbereiten Mitmenschen, sondern in einem Stall. Zwischen Ochs und Esel erblickte Jesus das Licht der Welt. Schon kurze Zeit später mussten er und seine Eltern nach Ägypten flüchten. Wohin es die 195 Schicksale der JVA Büren führt, bleibt ungewiss. Auch wenn laut Strohmeyer ein Viertel der Abschiebungshäftlinge wieder auf freien Fuß kommt. Für Fremde ist auch über 2000 Jahre nach der erfolglosen Odyssee von Maria und Josef wenig Platz.


Bildunterschrift: Er ist gekommen, um zu bleiben, doch jetzt wartet Antonio Jovanovic auf seine Abschiebung nach Serbien. Statt mit seiner Freundin Mirveta Geelen feiert der 22-Jährige das Weihnachtsfest im Kreise der Fremden in der JVA Büren.

Bildunterschrift: "Christmas in jail is not Christmas": Jacky Simon aus Kamerun (l.) soll nach sieben Jahren Aufenthalt abgeschoben werden.

Bildunterschrift: Ein Hauch Weihnachtsstimmung: In der Knast-Werkstatt arbeiteten die Strafvollzugshäftlinge in den letzten Wochen vor allem an weihnachtlichen Dekorationen.

Die JVA Büren

1994 wurde die Justizvollzugsanstalt Büren als Abschiebungshaftanstalt in Betrieb genommen. Seit 2007 gibt es dort auch Strafhaft, da die Zahlen der Abschiebung rückläufig sind. Als JVA ist die Bürener Behörde dem Justizministerium unterstellt. Bei den Abschiebungshäftlingen ist die JVA "nur für die sichere Verwahrung" zuständig. "Im Rahmen der Amtshilfe fürs Innenministerium", erklärt Leiter Volker Strohmeyer. Rund 200 Mitarbeiter zählt die JVA Büren, die mit 7,5 Hektar und einer Kapazität für 515 Gefangene die größte Abschiebungshaftanstalt der Bundesrepublik ist.