22.10.2011

Rabatt für „Rabatzer“

Landgericht korrigiert Geldstrafe wegen Hausfriedensbruchs nach unten/Trotzdem Revision angekündigt

Von Hans-Hermann Igges

Paderborn. Frank Gockel, Sprecher der Besetzer des ehemaligen Cargo-Gebäudes am Paderborner Hauptbahnhof im Herbst 2007 wurde gestern vom Paderborner Landgericht wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro, von denen zehn Tagessätze als verbüßt gelten, verurteilt. Es korrigierte damit das Urteil einer anderen Kammer des Landgerichts vom Juli 2010 auf 95 Tagessätze und ging sogar unter das vom Amtsgericht Paderborn im März 2010 verhängte Strafmaß in Höhe von 50 Tagessätzen zurück. Das Oberlandesgericht Hamm hatte in einer Revisionsverhandlung die 2010 vom Landgericht verhängte Strafe für nicht annähernd haltbar erklärt und den Fall an eine andere Kammer zurückverwiesen.

Richter Franz-Josef Büttinghaus als Vorsitzender der vierten Strafkammer sah es in seinem Urteilsspruch gestern als erwiesen an, dass Gockel nicht nur Besucher in dem von Ende September bis Anfang November 2007 besetzten Haus gewesen ist, wie der trotz seines Auftretens als „Sprecher“ der Besetzer behauptete. Das belege unter anderem ein Treffen mit dem ersten Beigeordneten der Stadt Paderborn, Carsten Venherm, kurz nach dem Beginn der Besetzung, in dem Venherm Gespräche über ein autonomes Kulturzentrum an die vorherige Aufgabe der Besetzung geknüpft habe. Auch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Unfall eines Besetzers im Haus und im anschließenden Erscheinen von Sanitätern und Polizei bei einer Besichtigung durch drei SPD-Kommunalpolitiker sowie nach Beobachtungen des Ordnungsamtsleiters Udo Olschewski legten einen auf Dauer angelegten Aufenthalt nahe - auch wenn Gockel tatsächlich wie behauptet in seiner eigenen Wohnung übernachtet habe. Richter Büttinghaus: „An einer dauernden Anwesenheit des Angeklagten in dem Gebäude entgegen dem erklärten Willen der Stadt zu zweifeln, ist hanebüchen.“

Büttinghaus machte keinen Hehl daraus dass er gegen Gockel am liebsten eine Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt hätte, „um ihn von weiteren Taten in ähnlicher Richtung“ abzuhalten. Tatsächlich sei er aber durch den Spruch des OLG Hamm gezwungen, das Urteil des Amtsgerichts nicht zu übersteigen. Die ungewöhnlich lange Dauer des Verfahrens wertete Büttinghaus allerdings zugunsten des Angeklagten, was zu dem geringen Strafmaß führte. Gockel kündigte in seinem persönlichen Plädoyer jedoch bereits an, im Fall einer Verurteilung abermals in Revision gehen zu wollen. Er plädierte auf Freispruch, mindestens aber auf Einstellung des Verfahrens - was auch das OLG zuvor schon nahegelegt hatte.

Der (vorläufig also) letzte Verhandlungstag in Sachen „Rabatzer“ hatte sich gestern vor allem um die Kommunikation zwischen Polizei und Stadt Ende September 2007 gedreht. Gockel-Verteidiger Rechtsanwalt Sebastian Nickel konfrontierte zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung mit einem Protokoll der Polizei, wonach seitens der Stadt auf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs im Falle einer Besetzung angeblich habe verzichtet werden sollen. Daran konnten sich die beiden städtischen Mitarbeiter in dieser Form gestern, also vier Jahre danach, nach eigenen Angaben nicht erinnern. Selbst wenn man aber den Inhalt des Protokolls der Polizei nicht anzweifle, so das Gericht gestern, habe die Stadt durch eine etwaige Aussage von Mitarbeitern damit nicht auf eine spätere offizielle Anzeige verzichtet.

 

 

Frank Gockel: Will nach wie vor einen Freispruch, wäre aber auch mit einer Einstellung des Verfah- rens einverstanden gewesen … Foto: Reinhard Rohlf