12.07.2014

Abschiebehaft in Büren auf der Kippe

Europäischer Gerichtshof entscheidet über gemeinsame Unterbringung mit Straftätern

Büren/Luxemburg. Dürfen Abschiebegefangene zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden? Über diese Frage wird am 17. Juli der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Grundsatzurteil fällen. Die Entscheidung könnte das Ende der Abschiebehaft in der JVA Büren bedeuten, mutmaßt Frank Gockel vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft.

Die Rückführungsrichtlinie der EU macht klare Vorgaben zur Unterbringung von Abschiebegefangenen. Ist in einem Mitgliedstaat der EU ein reines Abschiebegefängnis vorhanden, dann dürfen Abschiebegefangene nicht mit Strafgefangenen zusammen untergebracht werden. Diese Vorschrift hätte der deutsche Gesetzgeber bis zum 24. Dezember in deutsches Recht umsetzen müssen. Diese Verpflichtung wurde nur teilweise erfüllt. In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel NRW und Hessen werden Abschiebegefangene mit Strafgefangenen in einem Gefängnis untergebracht. In anderen Bundesländern, wie Berlin und Rheinland-Pfalz wird die vorgesehene Trennung beachtet.

Nur noch 30 Flüchtlinge in JVA

Das Trennungsgebot ist in die Rückführungsrichtlinie aufgenommen worden, weil die EU klarmachen will, dass Abschiebegefangene keine Straftäter sind. Die Haftbedingungen müssen sich deutlich unterscheiden. „Es ist nicht hinnehmbar“, so Gockel, „dass sich Abschiebegefangene nicht frei auf dem Gelände bewegen können, sie kein Bargeld besitzen dürfen, Handys verboten sind und die Internetnutzung stark eingeschränkt wird, wie dies in der JVA Büren der Fall ist.“

Gockel sieht gute Chancen, dass der EuGH der Einschätzung seines Generalsanwalt Yves Bot folgen wird. Bot hat bereits am 20. April 2014 ein klares Votum abgegeben. Er hält es für nicht mit der Rückführungsrichtlinie vereinbar, dass Abschiebegefangene zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden.

Bereits jetzt sind einige deutsche Gerichte derselben Meinung. So hat die Zahl der Abschiebegefangenen in NRW deutlich abgenommen. Aktuell befinden sich noch etwa 30 Menschen in der JVA Büren in Abschiebehaft. Sollte der EuGH wie erwartet entscheiden, würde die Unrechtmäßigkeit höchstrichterlich festgestellt.

„Aus einem solchen Urteil des EuGH kann nur eine Konsequenz gezogen werden“, so Gockel: „Alle Gefangene müssen noch am gleichen Tag entlassen werden.“ Auch sei darüber nachzudenken, wie die über 5000 Gefangenen entschädigt werden, die seit der Umsetzungsfrist der Rückführungsrichtlinie in der JVA Büren unrechtmäßig inhaftiert waren. Eine weitere Konsequenz müsse sein, dass sich die Landesregierung in NRW ohne Wenn und Aber für die Abschaffung der Abschiebehaft im Bundesrat einsetzt, so Gockels Auffassung.

Der Verein Hilfe für Menschen Abschiebehaft hat am Donnerstag, 28. August um 19:30 Uhr in der Kulturwerkstatt die Bühne für Menschenrechte aus Berlin mit dem Theaterstück „Asylmonologe“ zu Gast. Am Samstag, 30. August, soll erneut eine Demonstration vor der JVA stattfinden.

Info

20 Jahre Knast „Stöckerbusch“ im Rückblick

•Januar 1994: Erster Abschiebehäftling werden in der umgebauten früheren NATO-Kaserne „Stöckerbusch“ in Büren untergebracht.

•30. April 1994: Gründung des Vereins „Hilfe für Menschen Abschiebehaft“

•19 April 1995: professionelle Betreuung durch Wohlfahrtsverbände im Rahmen eines Stiftungsmodells.

•8. Mai 1995: 1500 Menschen demonstrieren friedlich vor der JVA.

•Ostersamstag 1995: Häftlingsrevolte - die Polizei stürmt ein Gebäude.

•1995: Die Kapazität der JVA wird durch Baumaßnahmen auf 600 Haftplätze erweitert.

•1998: Private Sicherheitskräfte rücken an die Seite der Justiz Vollzugsbeamten.

•30. August 1998.: 200 Häftlinge treten in Hungerstreik.

•30. August 1999: Der marokkanische Häftling Raschid Sbaai stirbt nach einer Selbstverbrennung in der Abschiebehaft.

•1. September 2006: Der Verein Hilfe für Menschen Abschiebehaft Büren erhält den Aachener Friedenspreis.

•Dezember 2006: Das Land NRW investiert 5 Million Euro in die JVA, um Beschäftigungsmöglichkeiten für Häftlinge zu ermöglichen.

•Ab 2007: Auch Strafgefangene werden in der JVA untergebracht.

•November 2011: Nach Auflösung einer Abschiebehaftanstalt für weibliche Flüchtlinge kommen erstmals Frauen in die JVA Büren.                                                                                                      (angel)

 

Protest auf dem Bürener Marktplatz: In den 1990er Jahren demonstrierten in fast jedem Jahr mehrere Hundert Menschen für das Recht auf Asyl und gegen Abschiebehaft sowie das Gefängnis im Haarener Wald. Archivfoto: Reinhard Rohlf