28.08.1993

„Schwarze Sheriffs“ im Knast

NRW: Abschiebehäftlinge werden von privaten Sicherheitsdiensten betreut

Von Karl-Heinz Steinkühler und Horst-Werner Hartelt

Bielefeld/Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen wird als erstes Bundesland ab September privates Wachpersonal im Strafvollzug einsetzen. Nach Angaben von Justizminister Rolf Krumsiek sollen                           16 Angestellte eines Essener Bewachungsunternehmens für die Sicherheit eines provisorischen Abschiebegefängnisses in Wuppertal sorgen.

Bis Ende des Jahres werden auf dem Gelände der Bereitschaftspolizei Wuppertal 200 abgelehnte Asylbewerber bis zu ihrer Ausweisung untergebracht. Sollte der Versuch erfolgreich verlaufen, will Krumsiek das Modell mit den privaten Fachleuten auch auf das zentrale Abschiebegefängnis in Büren übertragen. Dort wird zurzeit für zwölf Millionen Mark eine ehemalige Kaserne umgebaut. Ab 1994 stehen in Büren 1100 Plätze für Abschiebehäftlinge zur Verfügung.

Krumsiek betonte, dass es sich in der Mehrheit zwar nicht um Straftäter handele, doch müsse von einem hohen Fluchtanreiz der Häftlinge ausgegangen werden. Die weiter wachsende Zahl von Abschiebehäftlingen übersteige die gegenwärtigen Möglichkeiten der Justiz. Die Finanzlage des Landes lasse es aber nicht zu, mehr Beamte einzustellen. Deshalb greife man auf privates Bewachungspersonal zurück, sagte Krumsiek.

Vehementen Protest gegen die Beschäftigung von „schwarzen Sheriffs“ im Vollzugsdienst legte der nordrhein-westfälische Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) ein. Der stellvertretende Vorsitzende Wilhelm Bokermann (Schloss Holte-Stukenbrock) hielt es nach geltendem Verfassungsrecht für unzulässig, private Sicherheitskräfte in den Abschiebegefängnissen zu beschäftigen. Bokermann: „Diese Aufgaben müssen Angehörigen des öffentlichen Dienstes übertragen werden, die in einem Treueverhältnis zum Staat stehen.“

Bokermann bezifferte im Gegensatz zu Krumsiek die Zahl, der in Wuppertal beschäftigten privaten Sicherheitsleute auf 43. In Büren sollen es dann bis zu 100 „schwarze Sheriffs“ eingesetzt werden. Vorbild sei das „englische Modell“, wo schon seit längerem mit privat organisierten Vollzugseinrichtungen optimiert werde, so der BSBD-Mann. Zunächst habe Hamburg sich für diese Form des Vollzugsdienstes interessiert, aber dann ebenso wie Rheinland-Pfalz aus verfassungsrechtlichen Bedenken davon Abstand genommen.

Bokermann gab darüber hinaus zu bedenken, dass sich die Abschiebehäftlinge in einer „äußerst schwierigen Lebenssituation“ befinden, die eine psycho-soziale Betreuung erforderlich machte. Externe Sicherheitskräfte verfügten freilich ausschließlich über Erfahrungen in den Bereichen Objekt- und Personenschutz. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten fordert deshalb die Festanstellung zusätzlichen Personals. Damit könne man auch die untragbaren Zustände in nordrhein-westfälischen Gefängnissen verbessern. Denn die 8000 Bediensteten schieben 350.000 Überstunden vor sich her. Bokermann: „Die Knäste sind bis zu 40 Prozent überbelegt, sogar Freizeiträume dienen inzwischen als Haftzellen.“