21.01.2023

„Deutschland zeigt sein wahres Gesicht“

Leserbrief

Betrifft: „Mahnen Vorgehensweise an“, 18. Januar

Am Fall Nadr Nadoyan zeigt Deutschland wie hier im zweierlei Maß gemessen wird. Es zählt nicht, dass man 20 Jahre sich mit Arbeit und Familiengründung relativ sicher hier gefühlt hat, nein plötzlich ist das Herkunftsland ausschlaggebend. Armenien ist eben nicht die Ukraine. Mir hat es Tränen in die Augen getrieben, als ich von seiner Abschiebung las. Seit 2015 bin ich mehr oder weniger ehrenamtlich in der Migrationsarbeit tätig.

Da die deutsche Sprache, das Wichtigste ist, um Arbeit zu bekommen und damit die Chance hier zu bleiben, gab ich Deutschunterricht, bis damals die Teilnehmer einen VHS-Kurs angeboten bekamen. Jetzt versuche ich, einer Irakerin und Rumänen die deutsche Sprache zu vermitteln. Das zeigt mir, wie wichtig für Ausländer die Sprachkenntnisse sind, um sich hier vermeintlich sicher zu integrieren. Und nun lese ich in Lippstadt von dem Polizeieinsatz, als handele es sich um einen Schwerverbrecher. Ich schäme mich dafür, dass es hier in meiner deutschen Heimat Beispiele von behördlicher Willkür und Fälle von derartiger Missachtung der Menschenrechte gibt, wie im berichteten Fall.

Am liebsten würde ich es Nadr Nadoyan selber sagen, dass nicht alle so denken wie die Lippstädter Ausländerbehörde und die Polizei. Aber das würde der Familie, die jetzt ohne Ehemann und Vater fertig werden muss, nicht weiterhelfen.

Und wenn ich lese, dass mehrere zigtausend Euro aufgewendet werden, um eine Abschiebung vorzunehmen, die offenbar nicht rechtmäßig ist, dann denke ich, dass wir uns nicht einbilden sollten, Leuchte der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Verteidiger der Menschen rechte zu sein.

Evelyn und José S. Ocon, Erwitte.