14.04.2019

Abschiebehaft - unschuldig im Gefängnis

Die deutschen Innenminister haben die Möglichkeit zur Anwendung von Abschiebehaft wiederholt durch Gesetzesänderungen ausgeweitet und unsere Abgeordneten im Bundestag haben diese Änderungen immer wieder mit Mehrheit beschlossen. Als Anfang der 90er Jahre viele Flüchtlinge durch den Bürgerkrieg in Jugoslawien nach Deutschland kamen, war es das erklärte politische Ziel möglichst viele Ausländer aus Deutschland abzuschieben und die Flüchtlinge abzuschrecken, noch einmal nach Deutschland zu kommen. Dazu wurde 1990 im komplett überarbeiteten Ausländergesetz die Formulierung mit dem „begründeten Verdacht“ für Abschiebehaft eingeführt und die maximale Länge auf 1½ Jahre verlängert. Schon 1992 wurde der Abschiebehaftparagraph wieder geändert und durch einen Katalog von Fällen, in denen Abschiebehaft verhängt werden soll, ergänzt.

Im Jahr 1997 wurde eingeführt, dass auch Flüchtlinge, die ihren ersten Asylantrag stellen, in Abschiebehaft auf die Entscheidung darüber warten müssen. Dies trifft schon immer auch auf Flüchtlinge zu, die nach der Ablehnung ihres ersten Asylantrag in ihr Herkunftsland zurückkehren, dort wieder verfolgt werden und dann ein zweites Mal nach Deutschland fliehen: Wenn sie wegen illegaler Einreise in Abschiebehaft genommen werden, bevor sie einen Asylfolgeantrag gestellt haben, müssen sie im Gefängnis auf die Entscheidung warten. Was das für Folteropfer und traumatisierte Flüchtlinge bedeutet, die durch die abgeschlossenen Zellentüren an die Situation im Gefängnis ihres Herkunftslandes erinnert werden und jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen müssen, kann man sich kaum vorstellen. Dennoch ist es nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers geltendes „Recht“.

Im Jahr 2005 wurder der Abschiebehaftparagraph in das neue Aufenthaltsgesetz als § 62 übernommen und um eine Regelung zu Abschiebehaft bei Terrorismusverdacht erweitert. Schon 2007 gab es die nächsten Änderungen: die Zurückweisungs- und Zurückschiebungshaft wurde neu geregelt. Im November 2011 erfolgte eine Anpassung von § 62 an die sog. Rückführungsrichtlinie der EU. Der Bundesgerichtshof hat 2013 zum sog. Trennungsgebot von Abschiebe- und Strafhaft in der Rückführungsrichtlinie den Europäischen Gerichtshof angerufen - dazu erfolgte eine Entscheidung im Juli 2014. Seitdem ist klar, dass Abschiebe- und Strafhäftlinge nicht in deselben Einrichtung untergebracht werden dürfen.

Im Sommer 2015 wurde das Gesetz wieder geändert und der „begründeten Verdacht“ um sog. Anhaltspunkte erweitert, nachdem Gerichte diesen Punkt des § 62 für zu ungenau erklärt haben. Diese Anhaltspunkte sind aber genauso wenig geeignet, eine Grundrechtseinschränkung zu rechtfertigen. Zusätzlich wurde eine bis zu 4 Tage lange Abschiebehaft eingeführt ("Ausreisegewahrsam"), die noch es den Behörden noch leichter machen soll, Menschen vor dem Flugtermin hinter Gittern einzusperren. Inzwischen ist diese Möglichkeit (§ 62b) auf bis zu 10 Tage verlängert worden.

Und aktuell gibt es schon wieder weitere Pläne, noch mehr Menschen noch länger einzusperren.

Freiheit ist ein Menschenrecht – deshalb fordern wir: Abschiebehaft abschaffen

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