18.07.2014

Die Welt

EuGH: Abschiebehäftlinge dürfen nicht ins Gefängnis

Bundesländer müssen Unterbringung reformieren

Abschiebehäftlinge dürfen bis zu ihrer Ausreise aus Deutschland nicht in Gefängnissen untergebracht werden, sondern nur in speziell dafür vorgesehenen Einrichtungen. Das hat der europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag entschieden. Sollte ein Bundesland nicht über derartige Einrichtung verfügen, müssten die Betroffenen in eine solche in einem anderen Land gebracht werden. Die Praxis mehrerer Länder, die Menschen in diesem Fall in einem Gefängnis mit Straftätern unterzubringen, verstößt gegen EU-Richtlinien, urteilten die Richter. Konkret ging es um drei in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen anhängigen Fälle. Der Bundesgerichtshof und das Landgericht München I ersuchen den EuGH um Prüfung. Der betonte nun, dass Gebot der Trennung „illegal aufhältlicher Drittstaatsangehöriger“ von gewöhnlichen Strafgefangenen gelte ohne Ausnahme und garantiere die Wahrung der Rechte der Ausländer. Bislang hat die Mehrzahl der deutschen Bundesländer keine speziellen Abschiebezentren. Nach Angaben der Organisation Pro Asyl kombinieren im Moment sechs Länder die Straf- und die Abschiebehaft in der Praxis: Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg Sachsen-Anhalt und Thüringen. Andere Länder ergriffen im Vorfeld des EuGH Rechtsspruchs bereits provisorische Maßnahmen, so begann etwa Sachsen damit, Häftlinge in benachbarte Bundesländer zu überstellen. Eine solche Kooperation zwischen den Ländern ist in den Augen des EuGH auch als Dauerlösung vorstellbar. Das Fehlen einiger Einrichtung rechtfertige die Unterbringung von Migranten in Gefängnissen nicht, unterstreichen die Richter. Flüchtlingsrechtler kritisierten seit langem, dass Migranten in den Haftanstalten sehr strengen Bedingungen unterliegen: so dürfen sie etwa nur selten Besuch empfangen, kaum telefonieren oder kein Bargeld besitzen. Viele dieser Menschen hätten tatsächlich Anspruch auf internationalen Schutz und seien nur deshalb inhaftiert, weil sie unter den EU-Zuständigkeitsregelung in ein anderes EU-Land gebracht würden, erläutert Pro Asyl. Kirchenvertreter und Sozialverbände forderten nach dem Urteilsspruch den sofortigen Stopp der Abschiebehaft in normalen Gefängnissen. „Menschen in Abschiebehaft sind keine Straftäter“, sagte die Brüsseler Repräsentantin der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kathrin Hatzinger. Auch wenn spezielle Abschiebezentren genutzt werden genutzt würden, dürfte die Haft immer nur das letzte Mittel sein: „Bedauerlicherweise wird Abschiebehaft immer noch zu häufig und für einen zu langen Zeitrumpfzeitraum verhängt.“ Die Diakonie bezeichnete das Urteil als Meilensteinstein im Umgang mit ausreisepflichtigen Menschen. Das Gericht habe entschieden, „was wir seit langem fordern: keine Abschiebungshaft in Strafgefängnissen“, sagte Vorstandsmitglied Maria Loheide in Berlin. Sie rief dazu auf, grundsätzlich über die Haft nachzudenken. Der Freiheitsentzug sei oft überflüssig und es gebe Alternativen, sagte Loheide. Der Jesuiten Flüchtlingsdienst verlangte ebenso wie Pro Asyl die sofortige Freilassung von Abschiebungshäftlingen aus der Strafhaft. Auch Politiker von SPD, Grünen und Linken zeigten sich erfreut über die Entscheidung. „Flüchtlinge sind keine Kriminellen“, sagte die SPD Europa-Abgeordnete Birgit Sippel in Straßburg. „Meldeauflagen wären eine Möglichkeit, entwürdigende Abschiebehaft grundsätzlich abzuschaffen“, betonte die Grünen Fraktionsvorsitzende im Berliner Bundestag, Katrin Göring-Eckhardt. „Nach Einschätzung von Fachverbänden und Rechtsanwälten ist die Mehrzahl aller Abschiebungsinhaftierungen in Deutschland derzeit rechtswidrig“, erklärte die Linken - Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. In Deutschland ist der Vollzug

„Meldeauflagen wären eine Möglichkeit Abschiebehaft ganz abzuschaffen“

Katrin Göring-Eckhardt Grünen Fraktionsvorsitzende

der Abschiebehaft Ländersache. Nach Angaben von Pro Asyl gibt es in acht Bundesländern spezielle Einrichtung für die Unterbringung. Aus den Ländern hieß es, das Urteil werde geprüft. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte an, Kooperation mit anderen Bundesländern auszuloten. Hamburgs Innenbehörde erklärte: „Wir werden eine Lösung finden, die dem Urteil gerecht wird.“ Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) sagte, es sei gut, dass in dieser wichtigen Rechtsfrage jetzt Klarheit herrsche. In Abschiebehaft kommen Menschen, die etwa nach illegaler Einreise oder abgelehnten Asylanträgen zur Ausreise verpflichtet sind. Ihre Zahl war zuletzt rückläufig. Nach Angaben der Bundesregierung waren es 2008 rund 8800, 2010 etwa 7500 und 2011 gut 6400 Ausländer. Aktuellere bundesweite Zahlen gibt es laut Pro Asyl nicht.