31.05.2018

Westfälishes Volksblatt

Iraker beschäftigt die Behörden

Anwohner beschweren sich – Landrat: »Werden bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen gehen«

Von Ingo Schmitz

P a d e r b o r n (WV). Ein irakischer Flüchtling sorgt derzeit in Paderborn für Unruhe in der Bevölkerung. Immer wieder kommt es zu Beschwerden wegen Belästigungen, Bedrohungen und Handgreiflichkeiten. Inzwischen sind nicht nur Stadt Paderborn und Polizei, sondern auch Landrat Manfred Müller persönlich eingeschaltet.

Die Situation ist mehr als skurril: Spät abends breitet der Mann direkt am Bahnübergang an der Detmolder Straße seinen Gebetsteppich aus, zieht seine Schuhe aus und verneigt sich gen Osten. Das geht stundenlang so, während immer wieder Züge an ihm vorbei donnern. Passanten und Autofahrer schütteln den Kopf. 

Doch leider bleibt es nicht bei diesem friedlichen Gebet. Einige Paderborner fühlen sich durch den Mann, der an verschiedenen Orten immer wieder auftaucht, massiv belästigt. Stundenlang stehe er bei ihnen in der Straße im Benhauser Feld und schaue in ihr Haus. Die Bewohner fühlen sich beobachtet. Er vermülle zudem das Umfeld und verrichte im Gebüsch seine Notdurft. »Als ich ihn angesprochen habe, ist er auf mich losgegangen«, berichtet ein Nachbar. Auch andere Anlieger seien mit dem Mann schon aneinander geraten, als sie ihn gebeten hätten, das Areal zu verlassen. Es sei sogar zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen.

»Es ist ein Mann mit einer speziellen, penetranten Persönlichkeit. Er verhält sich auffällig.«
Landrat Manfred Müller

»Der Mann ist aggressiv«, berichten die Anwohner. Er habe Polizisten bei einem Einsatz angespuckt. »Junge Mitarbeiter der hier ansässigen Firmen, die abends nach Hause wollen, haben Angst vor ihm«, heißt es. Es habe mehrere Krisengespräche gegeben.

»Gegen den Iraker liegen eine Reihe kleinerer Delikte vor«, bestätigte Manfred Müller am Mittwoch auf WV-Anfrage, dass der Mann hinlänglich bekannt ist. Müller: »Es ist eine Person mit einer speziellen, penetranten Persönlichkeit. Der Mann verhält sich sehr auffällig.« Immer wieder komme es zu Beschwerden. »Wir sind mit der Ausländerbehörde der Stadt Paderborn im Kontakt und prüfen alle Möglichkeiten«, sagte Müller. Doch die seien eben begrenzt. Grundsätzlich dürfe er sich überall hinsetzen. Erst wenn er Menschen bedrohe oder belästige, könne man einschreiten.

Nach Informationen des Landrats hätten sich mehrere Moscheevereine von dem Iraker distanziert. Wegen seines Verhaltens seien Hausverbote erteilt worden. Mehrfach seien Polizeistreifen ausgerückt, um auch an anderen Stellen Platzverweise auszusprechen.

»Wenn er die ignoriert, wird er ins Gewahrsam genommen.« Ein Richter entscheide, was weiter passiere. Die Schwere der Delikte habe bislang nicht ausgereicht, so Müller, ihn länger festzusetzen oder in Untersuchungshaft zu nehmen. Der Landrat betont: »Andere Möglichkeiten hätten wir auch nicht, wenn es sich um einen Deutschen handeln würde.«

Nach Informationen dieser Zeitung soll längst entschieden sein, dass der Mann, der in einer Paderborner Flüchtlingsunterkunft untergebracht ist, abgeschoben werden soll. Derzeit sind aber nur Abschiebungen in den Irak möglich, wenn entsprechend schwerwiegende Straftaten vorliegen.

Und warum kann er dann nicht in der Abschiebehaftanstalt in Büren untergebracht werden? Auch hier sei die Rechtslage eindeutig: Möglich sei dies nur, wenn entsprechend schwerwiegende Straftaten verübt und eine Einstufung als Gefährder vorgenommen wurde. Dies sei aber im vorliegenden Fall bislang nicht möglich.

Landrat Manfred Müller betonte, dass es massive Beschwerden gebe. Den Polizeibeamten habe er daher die Anweisung erteilt, im Umgang mit dem Iraker wenn nötig »bis an die Grenzen des rechtlich Möglichen zu gehen«.

 

Der Bahnübergang an der Detmolder Straße ist einer der Standorte, an denen der Iraker sich aufhält. Stundenlang verweilt er hier. Zwischendurch verneigt er sich gen Osten. Foto: Ingo Schmitz

Kommentar

Es ist ein extremer Einzelfall. Aber es bleibt unfassbar, dass ein einzelner Mann, der offensichtlich mit sich und der hiesigen Welt nicht klar kommt, derart sein Umfeld nerven und die Behörden beschäftigen darf. Und das Ganze passiert, ohne dass er großartige Repressalien erfahren muss. Die mehrfachen Aufenthalte in der Gewahrsamszelle dürften den Iraker wenig beeindruckt haben, denn sein Verhalten hat sich kein Stück geändert. Das führt zu einem ganz großen Unwohlsein der Bürger. Wir müssen festhalten, dass solche Vorkommnisse zu unserer Lebensrealität gehören. Und: Das hat nichts mit der Herkunft zu tun. Auch bei einem Deutschen hätten die Ordnungskräfte keine anderen Möglichkeiten. Es macht die Vorkommnisse aus Sicht der Betroffenen aber brisanter, wenn hier so viel Energie auf einen Flüchtling verwendet werden muss, der längst wieder im Irak sein sollte. Wie weit darf man den Bogen
überspannen? Spätestens bei Handgreiflichkeiten ist Schluss! Offensichtlich muss die Rechtslage hier überarbeitet werden. Ingo Schmitz