08.05.2014
Der Patriot
JVA Büren vor ungewisser Zukunft
Praxis der Abschiebehaft laut EU-Generalanwalt unzulässig
BÜREN Die JVA in Büren steht möglicherweise vor tiefgreifenden Veränderungen. Sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) einem Gutachten des EU-Generalanwalts Yves Bot folgen, könnten die Abschiebehäftlinge die Anstalt im Stöckerbusch möglicherweise schon bald verlassen.
Als unrechtmäßig bezeichnete Bot in seinem Gutachten die seit vielen Jahren in der Kritik stehende Praxis der Abschiebehaft in NRW. Abschiebegefangene dürfen seiner Einschätzung nach nicht wie - unter anderem in der JVA Büren praktiziert - zusammen mit Strafgefangenen untergebracht werden. Da es sich bei der JVA in Büren nicht um eine spezielle Einrichtung für die Abschiebehaft handelt, verstößt die Zusammenlegung von abgewiesenen Asylbewerbern und Strafgefangenen laut Bot gegen europäisches Recht. Die Menschenwürde und die Grundrechte der Migranten sieht Bot durch diese aktuell noch in sieben Bundesländern angewendete Praxis beeinträchtigt.
Diese Einschätzung aus Brüssel bestätigt auch die Auffassung des Vereins „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft in Büren“. Seit Jahren kritisiert deren Pressesprecher Frank Gockel die in NRW gängige Abschiebepraxis. „Diese Menschen haben ein Recht darauf, ihre Zeit bis zur Abschiebung in Freiheit zu verbringen. Wer lebt schon gerne im Gefängnis?“, erklärte Gockel auf Anfrage unserer Zeitung. Nach Einschätzung des Detmolders folgt der EuGH in 80 Prozent der Fälle dem Schlussantrag des Generalanwalts. Mit einem Urteil rechnet Gockel im Juni oder Juli.
Wie es dann weitergeht in der JVA Büren? Mehrere Szenarien stehen derzeit im Raum. Gockel geht davon aus, dass die zuständigen Ausländerbehörden Haftaufhebungsanträge stellen werden und für die freizulassenden Häftlinge bis zur Abschiebung vor Ort Unterkünfte stellen müssen. Zudem rechnet der Detmolder mit Schadensersatzansprüchen, weil das Urteil rückwirkende Gültigkeit bekommen werde.
Dass die abgewiesenen Asylbewerber auf freien Fuß gesetzt werden, ist derweil für JVA-Leiter Udo Wehrmeier nur schwer vorstellbar. Denkbar sei das Einräumen einer Übergangsfrist nach der Urteilsverkündung. „Vielleicht wird man die Häftlinge in eine Einrichtung überführen, die den Regeln der EU entspricht“, so Wehrmeier. Vorstellbar sei aber auch ein Verbleib der aktuell 44 Abschiebehäftlinge im Stöckerbusch. In diesem Fall müssten allerdings die 163 Strafgefangenen die Einrichtung verlassen. Die JVA könnte dann laut Wehrmeier wieder reine Abschiebehaftanstalt werden und möglicherweise weitere Flüchtlinge aus anderen Bundesländern aufnehmen. Dafür, so Wehrmeier, müsste man einen gewissen Standard wiederherstellen, die Anlage zurückbauen, die Gitter von den Fenstern nehmen und mehr Freizügigkeit einräumen. Wehrmeier bezeichnete alle Varianten als „theoretische Möglichkeiten“. Die Entscheidung trifft das Innenministerium. Wie es auch kommt: Ziel Wehrmeiers ist es, die Arbeitsplätze der Landesbeschäftigten (derzeit 100) und der privaten Sicherheitskräfte (aktuell 30) sowie den Bestand der JVA Büren zu sichern. ? df
JVA Büren
1994 wurde die ehemalige belgische Kaserne im Stöckerbusch als Abschiebehaftanstalt in Betrieb genommen.Seit 2007 gibt es dort auch Strafhaft. Als JVA ist die Bürener Behörde dem Justizministerium unterstellt. Bei den Abschiebehäftlingen ist die JVA „nur für die sichere Verwahrung" im Rahmen der Amtshilfe für das Innenministerium zuständig. Aktuell (Stand: 7.Mai) sind in der Einrichtung 133 Strafgefangene und 44 Abschiebehäftlinge untergebracht.
In der JVA Büren leben Abschiebehäftlinge (hier ein Bild aus dem Jahre 2009) und Strafgefangene unter einem Dach. Ein Gutachten des EU-Generalanwaltes Yves Bot stuft diese in NRW gängie Praxis nun als unzulässig ein Archivfoto:Gausmann