19.11.2009

Innenministerium verhindert die Berichterstattung über die Abschiebehaft eines minderjährigen Flüchtlings anlässlich des 20. Jahrestages der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention

Gemeinsame Presseerklärung des Bundesfachverbands Unbegleitete Minderjähriger Flüchtlinge e.V. und des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.

Seit mehreren Wochen ist der erst 17-Jährige Guldev Singh in der Abschiebehaft im westfälischen Büren inhaftiert. Die Kinderrechte, die an sich für alle Kinder gelten sollten, werden zum wiederholten Male durch die Behörden in NRW missachtet. Im Gegensatz zu geltenden Erlassen lässt das Innenministerium des Landes NRW eine schleichende Erleichterung Inhaftierungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendlichen zu. Grundlage hierfür sind Altersfestsetzungen von Ausländerbehörden, die ohne Hinzuziehung von hinreichend geschulten Experten, Entwicklungspsychologen und Medizinern durchgeführt werden.

Zum 20. November 2009, dem 20. Jahrestag der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention, wollte ein Team eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders die Haft des 17-Jährigen Guldev Singh dokumentieren. Das Innenministerium verweigerte die Drehgenehmigung. Offenkundig ist die öffentliche Berichterstattung über die skandalöse Inhaftierung von Minderjährigen unerwünscht.

Guldev Singh ist zwei Tage nach seiner Einreise in das Bundesgebiet verhaftet worden, bevor er einen Asylantrag stellen konnte. Bei der Vernehmung hat er aus Angst einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum angegeben. Er befürchtete, in ein Kinderheim eingesperrt zu werden, die sich in Indien oft in einem katastrophalen Zustand befinden. Nachdem Guldev die Möglichkeit eingeräumt wurde, mir einem Rechtsanwalt zu sprechen, sagte er umgehend seinen richtigen Namen und Geburtsdatum. Die Ausländerbehörde glaubt ihn nun zwar den Namen, aber sein Alter schätzen sie nicht auf 17 Jahre, sondern sie vermuten, er sei 24 Jahre alt. „Um festzustellen, dass Guldev Minderjährig ist, reicht ein Blick in sein Gesicht“, so Frank Gockel vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren, „so ist auch zu verstehen, warum das Innenministerium Angst vor den Bildern einer Fernsehkamera hat“. Da die Ausländerbehörden in der Regel Monate bis Jahre brauchen, um für Inder Passersatzpapiere zu erhalten, muss Guldev nun mit einer Haftzeit von mindestens 6 Monaten rechnen.

Dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt, musste der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren gerade in den letzten Monaten vermehrt feststellen. Immer häufiger nehmen die Ausländerbehörden Altersschätzungen vor, in denen offensichtlich minderjährige als volljährig eingestuft werden. Gockel ist überzeugt, dass das Innenministerium so die Zahl der Inhaftierten Jugendlichen nach unten manipulieren will.

„Die Kinderrechte müssen in Deutschland für alle Kinder gelten – unabhängig von ihrer Herkunft“, erklärt Thomas Berthold vom Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge. Frank Gockel vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren ergänzt: „Gerade im Rahmen der Abschiebehaft werden regelmäßig Jugendliche in Haft genommen, dabei handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. “ Die Bundesrepublik Deutschland hat bei der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention Vorbehalte hinterlegt, die u.a. besagen, dass das Kindeswohl dem ausländerrechtliche Regelungen nicht beeinträchtigen darf. In der Praxis heißt dies: ausländische Kinder und Jugendliche werden zunächst als Ausländer und erst in zweiter Linie als Minderjährige behandelt. Besonders Abschiebehaft für Minderjährige widerspricht einem der Kerngedanken der UN-Kinderrechtskonvention, demzufolge stets das Kindeswohl maßgebliches Kriterium für den Umgang mit den Kindern und Jugendlichen sein soll.

Der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge e.V. und der Verein Hilfe Menschen für Abschiebehaft fordern die Rücknahme der Vorbehaltserklärung, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. „Aber auch in der gegenwärtigen Rechtslage ist es dem Innenministerium möglich, die Abschiebehaft für Minderjährige zu beenden“, betont Thomas Berthold. Frank Gockel legt den Schwerpunkt auf die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der Landesregierung: „Es muss endlich einen Mentalitätswechsel geben: Die Diskriminierung ausländischer Kinder muss ein Ende finden.“

Absprechpartner für die Presse:

Hilfe für Menschen                      Bundesfachverband
in  Abschiebehaft                         Unbegleiteter Minderjähriger
Büren e.V.                                       Flüchtlinge e.V.

Frank Gockel                                Thomas Berthold

Tel.: 0171-4759240                    Tel.: 0177-6746749