04.05.2007

Neue Westfälische

„Papa, wann kommst du?“

Der Bürener Gefängnispfarrer Burkhard Schmidt kritisiert die Abschiebung von Vätern

VON HUBERTUS GÄRTNER

Büren. Pfarrer Burkhard Schmidt (48) aus Rheda-Wiedenbrück betreut seit vielen Jahren Abschiebehäftlinge in der Justizvollzugsanstalt Büren. Woche für Woche hält er im Gefängnis auch einen Gottesdienst. Bei seiner Arbeit wird Schmidt nicht selten mit traurigen Schicksalen konfrontiert. Einige sind ihm besonders ans Herz gegangen. Darüber möchte er nicht länger schweigen.

„Manchmal werden Väter in ihre Heimatländer abgeschoben, obwohl sie sich nachweislich intensiv um ihre Kinder in Deutschland kümmern“, sagt Schmidt. Der Pfarrer spricht von „Katastrophen“. Er hält solche Abschiebungen aus humanitären Gründen für inakzeptabel. Schmidt will die Ausländerbehörden nicht attackieren. Diese würden sich auf Urteile und Vorschriften sowie „die öffentliche Ordnung“ berufen. Vielleicht liege der Fehler im System, sagt Schmidt. Es sei zu unbarmherzig.

Drei konkrete Fälle sind es, die den Geistlichen besonders bewegen. Der erste betrifft einen 31 Jahre alten Mann aus Nigeria. Clifford E. war im Jahre 2003 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag wurde rechtskräftig abgelehnt. Clifford E. hat zusammen mit einer Nigerianerin, die mit gesichertem Aufenthaltsstatus in Oberhausen lebt, ein zehn Monate altes Kind. Die Eltern haben auch das gemeinsame Sorgerecht. Obwohl die Mutter an Eides statt versichert, dass der Vater das Baby regelmäßig betreut hat, wurde Clifford E. in Büren inhaftiert und vor wenigen Wochen in seine Heimat Nigeria abgeschoben.

Der zweite Fall betrifft einen Mann aus Ghana. Der 43-jährige Peter A. hatte sein Studium in Bochum abgebrochen. Anschließend hielt er sich mehrere Jahre illegal in Deutschland auf. Peter A. hat mit einer Landsfrau, die in Bochum lebt, ein vier Jahre altes Kind. Der Vater war für seine Tochter „stets eine ganz feste Bezugsperson“, wie Schmidt versichert. „Papa, wann kommst du wieder nach Hause?“ – auf diese Frage habe Peter A. im Bürener Gefängnis am Telefon keine Antwort gehabt, sagt Schmidt. Peter A. sei ebenfalls abgeschoben worden.

Ein ähnliches Schicksal droht nun auch einem Nigerianer (36), dessen frühere Lebensgefährtin Deutsche ist und in Herne wohnt. Auch aus dieser Verbindung ist ein Kind hervorgegangen, das heute neun Jahre alt ist. Oghene O. hielt sich nach der Geburt seines Sohnes Leon mehrere Jahre in seiner Heimat in Nigeria auf. Vor zwei Jahren reiste er dann mit gefälschten Papieren nach Deutschland ein. Mit Billigung der Mutter nahm Oghene O. in Herne wieder Kontakt zu seinem Sohn auf. Die Mutter hat an Eides statt versichert, dass die Verbindung zwischen Oghene O. und seinem Sohn Leon sehr innig ist und auch von ihr befürwortet wird. Trotzdem wurde Oghene O. verhaftet – er soll ebenfalls abgeschoben werden.

Im Düsseldorfer Innenministerium sind derartige Fälle bekannt. Eine Sprecherin bedauert, dass das Ausländerrecht nicht etwas mehr humanitären Spielraum bietet. Andererseits müsse der Gesetzgeber aber auch sicherstellen, dass Vaterschaften nicht dazu benutzt werden, um sich einen Aufenthalt in Deutschland zu erschleichen.

Nicht selten plagen sich Ausländerbehörden mit Scheinehen herum. Ihre Bereitschaft, Kompromisse zu schließen, sei „oft nicht vorhanden“, klagt der Kölner Rechtsanwalt Gerd Nogossek. Er vertritt die Interessen von Oghene O. und ist auf das Ausländerrecht spezialisiert.

Artikel 6 des Grundgesetzes und Artikel 8 der EU-Menschenrechtskonvention schützen Ehe und Familie, erläutert Nogossek. Ihre Anwendung setze aber eine „schutzwürdige Beziehung“ zwischen Eltern und Kindern voraus. Gerade nach Trennungen werde diese von den Ausländerbehörden oft angezweifelt. Dabei habe das Bundesverfassungsgericht bereits vor geraumer Zeit entschieden, „dass einwanderungspolitische Gesichtspunkte stets hinter Eltern-Kind-Beziehungen zurückstehen müssen“. Aus Sicht von Nogossek wird in den genannten Fällen gegen die Verfassung verstoßen.

Besorgt: JVA-Pfarrer Burkhard Schmidt. FOTO: HUBERTUS GÄRTNER