Graswurzelrevolution

Minderjähriger Flüchtling in Abschiebehaft

Das Innenministerium verhindert die Berichterstattung

Seit mehreren Wochen ist der erst 17-Jährige Guldev Singh in der Abschiebehaft im westfälischen Büren inhaftiert.

Die Kinderrechte, die an sich für alle Kinder gelten sollten, werden zum wiederholten Male durch die Behörden in NRW missachtet. Im Gegensatz zu geltenden Erlassen lässt das NRW-Innenministerium eine schleichende Erleichterung der Inhaftierungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche zu.

Grundlage hierfür sind Altersfestsetzungen von Ausländerbehörden, die ohne Hinzuziehung von hinreichend geschulten Expertinnen, Entwicklungspsychologlnnen und Medizinerlnnen durchgeführt werden. Zum 20. November 2009, dem 20. Jahrestag der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention, wollte ein Team eines öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders die Haft des 17-Jährigen Guldev Singh dokumentieren. Das Innenministerium verweigerte die Drehgenehmigung. Offenbar ist die öffentliche Berichterstattung über die skandalöse Inhaftierung von Minderjährigen unerwünscht.

Guldev Singh ist zwei Tage nach seiner Einreise in das Bundesgebiet verhaftet worden, bevor er einen Asylantrag stellen konnte. Bei der Vernehmung hat er aus Angst einen falschen Namen und ein falsches Geburtsdatum angegeben. Er befürchtete, in ein Kinderheim eingesperrt zu werden, die sich in Indien oft in einem katastrophalen Zustand befinden. Nachdem Guldev die Möglichkeit eingeräumt wurde, mit einem Anwalt zu sprechen, sagte er seinen richtigen Namen. und Geburtsdatum. Die Ausländerbehörde glaubt ihm nun zwar den Namen, aber sein Alter schätzen sie nicht auf 17 Jahre, sondern sie vermuten, er sei 24 Jahre alt, „Um festzustellen, dass Guldev minderjährig ist, reicht ein Blick in sein Gesicht“, so Frank Gockel vom Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren, „so ist auch zu verstehen, warum das Innenministerium Angst vor den Bildern einer Fernsehkamera hat“.

Da die Ausländerbehörden oft Monate bis Jahre brauchen, um für Inder Passersatzpapiere zu erhalten, muss Guldev nun mit einer Haftzeit von mindestens 6 Monaten rechnen.
Dass es sich hierbei um keinen Einzelfall handelt, musste der Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren in den letzten Monaten vermehrt feststellen. Immer häufiger nehmen die Ausländerbehörden Altersschätzungen vor, in denen offensichtlich minderjährige als volljährig eingestuft werden. Gockel ist überzeugt, dass das Innenministerium so die Zahl der Inhaftierten Jugendlichen nach unten manipulieren will. „Die Kinderrechte müssen in Deutschland für alle Kinder gelten — unabhängig von ihrer Herkunft“, erklärt Thomas Berthold vom Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge. Frank Gockel ergänzt: „Gerade im Rahmen der Abschiebehaft werden regelmäßig Jugendliche in Haft genommen, dabei handelt es sich um einen klaren Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Die BRD hat bei der Ratifikation der UN-Kinderrechtskonvention Vorbehalte hinterlegt, die u.a. besagen, dass das Kindeswohl dem ausländerrechtliche Regelungen nicht beeinträchtigen darf. In der Praxis heißt dies: ausländische Kinder und Jugendliche werden zunächst als Ausländer und erst in zweiter Linie als Minderjährige behandelt. Besonders Abschiebehaft für Minderjährige widerspricht einem der Kerngedanken der UN-Kinderrechtskonvention, demzufolge stets das Kindeswohl maßgebliches Kriterium für den Umgang mit den Kindern und Jugendlichen sein soll. Wir fordern die Rücknahme der Vorbehaltserklärung, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Auch in der gegenwärtigen Rechtslage ist es dem Innenministerium möglich, die Abschiebehaft für Minderjährige zu beenden.

Die Diskriminierung ausländischer Kinder muss ein Ende finden.

Weitere Infos: www.gegenAbschiebehatt.de