25.08.2009

Junge Welt

Schuldlos in Haft

Menschenrechtsgruppierungen rufen zu Aktionswoche gegen »rassistische Sondergesetze« auf. Vor allem Abschiebegefängnisse stehen in der Kritik

Ulla Jelpke

Mit zahlreichen Aktionen, Veranstaltungen und Demonstrationen protestieren antirassistische Gruppen in dieser Woche gegen Abschiebeknäste. Sie wollen an einschlägigen Orten – Gefängnissen, Ausländerbehörden, Flughäfen – auf die rechtliche Diskriminierung von Flüchtlingen aufmerksam machen.

Alleine in Nordrhein-Westfalen (NRW) wurden in den Jahren 2005 bis 2007 mehr als 6600 Menschen in Abschiebehaft genommen. In über 1000 Fällen dauerte der Knastaufenthalt drei bis sechs Monate, 150 Menschen wurden sogar noch länger eingesperrt. Die gesetzliche Höchstgrenze liegt bei 18 Monaten, dabei haben die Betroffenen keine Straftat begangen. Die Haft dient allein dazu, die Menschen möglichst reibungslos abschieben zu können. Solche Art Wegsperren ist »Teil einer rassistischen Ausländergesetzgebung«, heißt es im Aufruf zu einer Kundgebung vor dem Abschiebegefängnis in Büren in NRW, die am kommenden Samstag stattfindet.

Das Gefängnis kann auch als Druckmittel gegen renitente Flüchtlinge und Migranten eingesetzt werden, denn die Gewahrsamnahme kann eigenmächtig von Mitarbeitern der Ausländerbehörden verfügt werden. Ein Richter muß erst nachträglich darüber entscheiden.

Unverhältnismäßig ist Abschiebehaft auch, weil der Verstoß gegen die Ausreisepflicht lediglich eine Ordnungswidrigkeit ist, vergleichbar mit Falschparken. Zum Zeitpunkt der Festnahme steht der Abschiebetermin meist noch gar nicht fest. Einen Anspruch auf einen Anwalt haben die betroffenen Flüchtlinge, im Gegensatz zu anderen Gefangenen, nicht.

Besonders hart sind Frauen von der Abschiebehaft betroffen. Im einzigen Frauen-Abschiebegefängnis in Neuss sitzen zahlreiche Inhaftierte, die zuvor von Menschenschmugglern zur Prostitution gezwungen worden sind. Werden sie schwanger, verraten ihre Zuhälter sie an die Polizei, die dann ihre Abschiebung organisiert. Gegen ihre Peiniger sagen die Frauen aus Angst auch um ihre Angehörigen nicht aus. Der Umgang mit den Betroffenen in Neuss ist in jeder Hinsicht mangelhaft. Sowohl für die notwendige psychologische als auch medizinische Betreuung stehen kaum Geld und Personal zur Verfügung. Es wird lediglich das Nötigste unternommen.

Offenkundig ist, daß Abschiebehaft krank macht: Folteropfern droht im Gefängnis eine Retraumatisierung. Es gibt regelmäßig Suizidversuche. Immer mehr Inhaftierte, vor allem Frauen, benötigen ambulante oder stationäre psychiatrische Behandlung. Bei Männern, die in Kliniken eingewiesen werden, ist oft eine lange Haftzeit – einige waren mehr als 200 Tage im Gefängnis – ausschlaggebend für ihre psychische Erkrankung.

Im Rahmen der Aktionswoche finden Aktionen und Demonstrationen unter anderem in Büren, Neuss, Wuppertal, Mannheim, Mainz, Wiesbaden und Leipzig statt. Auch die Linksfraktion im Bundestag unterstützt die Aktivitäten. »Die Menschen, die in Abschiebehaft genommen werden, haben sich nichts zuschulden kommen lassen. Es ist einer Demokratie unwürdig, sie dennoch einzusperren«, teilte die Fraktion gestern in einer Presseerklärung mit.

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