18.07.2008

Neue Westfälische: Das Leben hinter Mauern

Thomas Bongartz schreibt Buch über Abschiebehaft


Delbrück (en). Gepflegte Gebäudefassaden, Grünflächen mit Blumenbeeten, Baseball- und Fußballplatz: Man könnte sich fast wohl fühlen in dieser Atmosphäre einer Freizeiteinrichtung. Wären da nicht die haushohen Mauern mit Stacheldrahtrollen auf der Krone, vergitterte Fenster und das unüberwindbare Zaun-Areal ums Sportgelände sowie das Personal eines privaten Sicherheitsdienstes. Es ist eben doch eine Haftanstalt, in dem der Besucher von Thomas Bongartz herumgeführt wird.

Bongartz ist Justizvollzugsbeamter und seit Einrichtung der Abschiebehaftanstalt Büren mit der besonderen Problematik der Menschen konfrontiert, die dort auf ihre Verschiebung in die Herkunftsländer warten. Über seine Erfahrungen, vor allem in der Funktion als Koordinator für Soziale Dienste, hat er jetzt ein zweites Buch mit dem Titel „Abschiebehaft Büren“ veröffentlicht.

Die Sammlung von Beiträgen über die Organisation sowie den Umgang mit Konflikten und Problemen von Abschiebehäftlingen unterschiedlicher Kulturen ist in der knappen Freizeit des fünffachen Familien- und zweifachen Großvaters entstanden. Verfehlt wäre es, diese Sammlung von Eindrücken als Leitfaden für Justizvollzugsbeamte in die Hand zu nehmen. Lesenswert ist das Buch für alle, die einen Blick hinter die Mauern eines Gefängnisses besonderer Art werfen wollen, in dem nicht in erster Linie Straftäter untergebracht sind, sondern Menschen, die sich auf der Suche nach einer Zukunft illegal in Deutschland aufhalten und in Büren auf den Rücktransport in ihr Herkunftsland warten.

Insgesamt ist es ein soziales Gemenge, dessen Vielfalt von Bongartz aufgegriffen, entwirrt und in 23 Beiträgen lebensnah geschildert wird. Und eben diese übersichtliche Vielfalt macht das Buch lesenswert. Es mit den Adjektiven „unterhaltsam“ oder „spannend“ zu charakterisieren, ist angesichts des schicksalsschweren Themas fehl am Platze. „Sehr informativ“ und „packend“ treffen ebenso zu.

Kulturelle Besonderheiten und außergewöhnliche Ereignisse

Mehr Breitenwirkung haben allerdings die Schilderungen über kulturelle Besonderheiten und außergewöhnliche Ereignisse. Lebensnah beschrieben werden beispielsweise mit allen juristischen, internationalen und menschlichen Problemen eine islamische Hochzeit, die Weihnachtsfeier für orthodoxe Gefangene, das Fest des Fastenbrechens der Muslime, Trauungen, der Lebensweg eines transsexuellen Menschen oder die interkulturelle Kommunikation.

Zu beziehen ist das Buch im Buchhandel unter ISBN 978-3-86582-700-5.

Der Mann fürs Soziale: Thomas Bongartz (r.), unterstützt von einem dolmetschenden Kollegen, im Beratungsgespräch. FOTO: GERD NEUFELD