02.02.2008

Bericht für die Zeit 19. 8. 1999 bis 28. 6. 2000

Aus dem Bericht für den Zeitraum vom 19.08.1999 bis 28.06.2000

Der Verein hat zur Zeit 61 Mitglieder. Die Zahl der aktiven Mitglieder, die in der JVA Besuche durchführen, beträgt zur Zeit 12. Die Freiwillige der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste beendet ihr "freiwilliges soziales Jahr" Anfang Juli. Eine Nachfolge ist zur Zeit nicht in Sicht, wird aber von den Organisatoren gesucht. Wir haben einen potentiellen neuen Betreuer aus Elsen gefunden.

Die Zahl der betreuten Häftlinge liegt bei insgesamt etwa 5600, aktuell besucht werden ca. 100 Gefangene. Bei den Freitagsgebeten, die ein Mitglied als Iman durchführt, nimmt eine große Zahl der Häftlinge teil. Das gleiche gilt für die Feiern an muslimischen Festtagen. Die finanzielle Unterstützung durch die DRK-Stiftung ist weiter zurückgegangen und beinhaltet nur noch Fahrtkosten und Telefongeld für einige wenige Betreuer. Im Jahr 2001 wird es endgültig gar keine Gelder mehr geben.

Zur Situation in der JVA:

Die Zahl der Gefangenen zur Zeit ist uns nicht genau bekannt. Besuchsanträge an unseren Verein werden momentan in einem Umfang gestellt, der einigermaßen zu bewältigen ist. Natürlich freuen wir uns trotzdem über jede Hilfe und jeden interessierten Menschen, der mit uns in die Haftanstalt gehen würde. An der allgemeinen Situation der Asylbewerber und insbesondere der Abschiebehäftlinge hat sich nichts geändert. Bei der geplanten Angleichung der EU-Staaten im Umgang mit Ausreisepflichtigen ist zumindest eine drastische Kürzung der Haftdauer eine unserer Hoffnungen, da in keinem anderen europäischen Land eine 18-monatige Haftdauer möglich ist. Ansonsten sind die Perspektiven in Sachen Asylpolitik eher trübe.

Im Gefängnis hat ein neuer Psychiater die Arbeit aufgenommen, nachdem der bisherige Psychiater nicht mehr tätig ist. Leider haben wir bisher keinen Kontakt zu diesem neuen Arzt aufnehmen können.

Ein Zahnarzt hat die Arbeit unter Protest aufgegeben, da der Zwiespalt zwischen dem Wohl der Patienten und dem finanziellen Rahmen der Behandlung nach seiner Ansicht nicht mehr tragbar ist.

Vom katholischen Gefängnisseelsorger haben wir seit langem nichts mehr gehört, der evangelische Pfarrer kooperiert hin und wieder in Einzelfällen mit uns.

Wie wir erfahren haben, soll die Betreuung durch Mitarbeiter des DRK irgendwann auslaufen. Herr Möller, der Leiter der JVA, hat Vereinsmitgliedern gegenüber von Stellenkürzungen gesprochen und wie es um die Rechtsberatung bestellt ist, nach den Koalitionsvereinbarungen, wissen wir nicht.

Am 30. 8. 1999 starb Rachid Sbaai in einer Arrestzelle in der JVA an einer Rauchvergiftung. Der Imam kümmerte sich um die Bestattung und vertitt die Familie des Toten hier in der BRD. Zu den Umständen des Todes sind noch viele Fragen offen. Ein zweiter Anwalt wurde beauftragt, nachdem der erste die Arbeit eingestellt hat. Es stellte sich die Frage, ob gegen die verantwortlichen Beamten eine Anzeige erstattet werden soll.

Neben dem Reisegeld, das unverändert an Gefangene gezahlt wird, deren Abschiebung bevorsteht und die keine ausreichenden finanziellen Mittel auf ihrem Konto haben, sind Telefonkarten zur wichtigsten Form der Unterstützung geworden, um einen selbständigen Kontakt nach außen zu ermöglichen.

Übersicht über wichtige Ereignisse und Aktivitäten:

August 1999

Der bisherige Freiwillige von Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste beendet seine Arbeit.

Der Verein wird "Mitherausgeber" der "Depesche" des Medienbüros für Menschenrechte.

Die Hochschulgruppe initiiert Patenschaften.

Rachid Sbaai stirbt in einer Arrestzelle der JVA.

September 1999

Mahnwache und Trauergottestdienst für Rachid Sbaai.

Eine Traueranzeige im Namen der Häftlinge wird organisiert.

Flug zweier Menschenrechtler nach Guinea, um über das Schicksal der Abgeschobenen Nachforschungen anzustellen, und nach der Rückkehr Bericht darüber.

Offener Brief an Herrn Möller mit den Fragen zum Tod von Rachid wird in der Presse veröffentlicht.

Gefangene fordern Gespräch mit zuständigen Behörden und Politikern, das von der Anstaltsleitung organisiert wird. Der Imam wird dazu eingeladen.

Eine Freiwillige kommt als Nachfolgerin von Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste.

Es wird zum Thema Fesselung bei der Abschiebung im Flugzeug recherchiert.

Oktober 1999

Es soll einen neuen Erlass aus dem Innenministerium geben, wonach jedem Abschiebehäftling DM 440 als Reisegeld belassen werden müssen, zudem besteht jetzt auch die Möglichkeit Taschengeld anzusparen.

Die Aus- und Wiedereinreise ist bei Heirat als Illegaler nicht mehr zwingend vorgeschrieben und liegt damit im Ermessen der Ausländerbehörde.

Wir bekommen einen offenen Brief von Gefangenen, der von Beamten als "Schreibhilfe" geschrieben wurde, in dem wir aufgeforder werden, keine Mahnwachen und Demos vor dem Gefängnis zu veranstalten. Wir antworten darauf schriftlich.

Ein Tunesier wird aus der Haft entlassen, um in Büren in Freiheit (!!!) heiraten zu können.

November 1999

Mahnwache vor dem Amtsgericht in Paderborn

Ein Mitglied fährt auf Einladung des AStA nach Hannover, um über unsere Arbeit zu berichten.

Gottestdienst der KHG in Paderborn zum Thema Abschiebehaft, anschließend Gespräch mit Georg Austen.

Massenabschiebung nach Ghana; dort soll ein Camp eingerichtet worden sein, für Leute, die in andere Länder weitergeschoben werden.

Fahrt nach Münster zur Vorführung des Films "Out of Control".

Das Innenministerium beschließt eine neue Altfallregelung.

Ein Mitglied trifft sich in Münster mit einer Gruppe, die sich mit Abschiebungen per Lufthansa beschäftigt.

Dezember 1999

Seminar im Liborianum.

Wir bekommen im Paderborner Dom offiziell das "Licht von Betlehem" überreicht.

Wir geben unsererseits das "Licht von Betlehem" offiziell an Unterstützer und Freude weiter.

Ein Zahnarzt, der in der JVA behandelte, legt unter Protest seine Arbeit nieder.

Januar 2000

Es gibt immer noch keine Akteneinsicht im Fall Rachid Sbaai.

Wir schreiben erneut an Herrn Möller, da unsere Fragen zum Tod von Rachid Sbaai unbeantwortet blieben.

Zwei Paderborner Rechtsanwälte besuchen uns Donnerstagsabends zum Erfahrungsaustausch über die JVA.

Innenminister Behrens bekommt von uns einen Brief zum Thema Altfallregelung.

Februar 2000

Ein Mitglied schreibt eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Anstaltsarzt.

Zwei Bevollmächtigte haben die Akte zum Tod von Rachid Sbaai einsehen können.

Sie brauchten 12 Stunden dafür und haben jetzt mehr Fragen als vorher.

Es wird überlegt, ob eine Gedenktafel für Rachid Sbaai an die JVA angebracht werden kann.

Es gibt immer noch, immer wieder lange Arreststrafen, auf die wir, wenn wir davon hören, mit Protestbriefen an Herrn Möller reagieren.

März 2000

Ein Mitglied beteiligt sich an der Demovorbereitungsgruppe.

April 2000

Teilnahme am "Kreuzweg Menschen auf der Flucht" in Düsseldorf.

Teilnahme an einer Veranstaltung mit der Ausländerbeauftragten Marieluise Beck in Paderborn.

Gespräch mit dem CDU-Politiker Merz in Meschede.

"Gruppenreise" nach Italien, um ein Vereinsmitglied zu besuchen.

Mai 2000

Ein vom Bürgerfunk geplantes Telefoninterview mit einem Gefangenen platzt.

Der Film "Out of Control" wird in der ESG in Paderborn gezeigt.

Im Fall Rachid Sbaai wird ein neuer Anwalt eingeschaltet.

Der Imam wird zu einem Gespräch mit der Kripo vorgeladen.

Demo vor der JVA und in Büren mit Redebeiträgen vom Verein.

Juni 2000

Teilnahme an den "Tagen der Psychatrie" in Paderborn.

Gespräch mit den Organisatoren von Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste.

Darüberhinaus waren wir beim Paderborner Flüchtlingsrat vertreten, es kamen verschiedenste Besucher zu unseren Donnerstagstreffen, zu Themen, die unsere Arbeit betreffen, wurden Leserbriefe geschrieben und (meistens telefonisch) Kontakte zu anderen Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen gepflegt, die sich mit Flüchtlingen etc. beschäftigen. Es gab außerdem viele Gespräche mit Beamten und der Anstaltsleitung der JVA.

Dank gilt wie immer allen aktiven Betreuern, Förderern und Mitstreitern.