02.02.2008

Bericht für die Zeit 13. 2. 2003 bis 18. 3. 2004

Bericht des Vorstandes des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. für die Zeit vom 13.2.2003 bis 18.3.2004

Bevor wir mit dem Bericht des Vorstandes beginnen, bitte ich alle Anwesenden, sich zum Gedenken an Michael Landschütz von ihren Plätzen zu erheben,. Michael hat sich, so lange seine Kräfte ausreichten, für die Belange der Abschiebehäftlinge eingesetzt. Selbst zwischen seinen sehr anstrengenden Chemo-Behandlungen hat er Häftlinge besucht und mit uns bei den Vereinsversammlungen engagiert diskutiert, zuletzt am 23.10.2003. Unsere gemeinsame Sache war ihm sehr wichtig. Wir werden ihn nicht vergessen.

Die Durchsicht der Protokolle der vergangenen 13 Monate lassen folgende Schwerpunkte erkennen:

•   Richter Berg: Richter Berg vom Amtsgericht Paderborn ist der zuständige Richter für Anhörungen bei Haftverlängerungen. Die Beschwerden der Häftlinge über die unausgewogenen und unangemessen kurzen Anhörungen begleiten uns leider unverändert weiter. Exemplarisch für das Anhörungsklima sei hier erwähnt, dass Herr Berg von einem Häftling wie folgt zitiert wird: „Halten Sie den Mund“. Die Häftlinge fühlen sich ausgeliefert und nicht respektiert. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Anhörungen, an denen Personen des Vertrauens oder Rechtsanwälte teilnehmen, anders ablaufen. So frustrierend es ist, wir müssen weiter gegen die unfaire Anhörungspraxis protestieren und versuchen, so oft wie möglich, bei den Anhörungen anwesend zu sein. Abschließend soll noch einmal festgehalten werden, dass andere Amtsrichter das sog. Beschleunigungsgebot sehr ernst nehmen bzw. eng auslegen. Wenn z.B. eine ZAB eine Woche untätig bei der Passbeschaffung war, spielen viele Richter bei den Verlängerungsanträgen nicht mehr mit. Wie schön wäre es, wenn Richter Berg zu diesen zählen würde.

•  Medizinische Betreuung: Eine Zusammenarbeit oder auch nur ein Kontakt mit Herrn Wächter, der Vertragsarzt der JVA Büren, ist unverändert nicht möglich. Zuletzt wurde Herr Wächter im Oktober 2003 zu einem Gespräch eingeladen. Auch diese Einladung blieb unbeantwortet. Ein Problem ist, dass sich die Häftlinge mit ihren Krankheits-Symptomen nicht ernst genommen fühlen. Sie bekommen „Salbe und dumme Bemerkungen. Für jede Krankheit die gleiche Pille“, so die Zitate der Häftlinge. Unverändert schwer ist es für sie auch, Auskünfte über ihre Krankheitsgeschichte zu erhalten, was nicht nur auf Sprachprobleme zurückzuführen ist. Mit einer Vollmacht, die den Arzt von der Schweigepflicht entbindet, ist es möglich, Herrn Wächter zur Auskunft zu zwingen. Diesen Weg müssen wir, wenn nötig auch mit der Anrufung von Gerichten, beschreiten.

•   Psychologische Betreuung: Hier tut sich leider ein neues, negatives Feld auf. Der Psychologe Devrim, in Co-Funktion für die ZAB Köln und für die JVA tätig, hat wenig Probleme im Sinne der Abschiebungsbehörden Reisefähigkeit festzustellen. Auch seine Behandlungsart im Knast wird von den betroffenen Häftlingen überwiegend negativ geschildert. Es ist uns nicht gelungen, mit Herrn Devrim in Kontakt zu kommen. Durch Presseberichte und Gegengutachten wurde die Doppelfunktion und -beauftragung von Herrn Devrim jetzt öffentlich problematisiert. Es bleibt zu hoffen, dass Herr Devrim zumindest in der JVA keine psychologische Behandlung mehr macht. Den Problempunkt dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

•  Betreuung: Bei den Fallbesprechungen im Rahmen der Vereinsversammlungen tauchen wiederholt folgende Stichworte auf: Jugendliche, Heirat, Gewalt bei Identitätsfeststellungen, Hungerstreik, Häftlingsprotest, Telefonkarten, Qualität der Verpflegung etc. Mit jedem dieser Stichworte können wir eine Menge Bilder verbinden. Näheres kann bei Interesse in den Protokollen nachgelesen werden. Wir möchten nur auf einige wenige Sonderpunkte eingehen:
Zahl der BetreuerInnen – unsere Schar wird leider kleiner; im vergangenen Jahr hat I. ihre sehr umfangreiche Betreuungsarbeit eingestellt, weil sie durch ihre Arbeit in der Hospizbewegung ausgelastet ist und aus gesundheitlichen Gründen Arbeit abgeben musste. Wir freuen uns, dass Ilse aber hin und wieder an den Vereinssitzungen teilnimmt. Durch den Tod von Michael haben wir einen weiteren engagierten Betreuer verloren.
Besuchsabteilung – um Engpässe und sonstige Schwierigkeiten in der Besuchsabteilung zu vermeiden, steht donnerstags ab 15.00 Uhr die Besuchsabteilung nur den BetreuerInnen des Vereins offen. Die Besuchszeit der Privatbesucher wurde an anderen Werktagen um eine halbe Stunde erweitert. Diese Lösung hat sich als sehr praktisch erwiesen.
Praktikantin – A. war unsere letzte Praktikantin von Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste. Wir haben gerne mit ihr zusammengearbeitet. Im August 2003 ist ihr Praktikum ausgelaufen. Sie hat ein Studium in Berlin begonnen.
Supervision – F. hatte bei Pro Asyl mit Erfolg die Finanzierung von Supervisionssitzungen für uns beantragt. Am 10.4.2003 hatten wir die erste Sitzung mit Frau Dr. G., weitere fünf Sitzungen folgten. Nach anfänglicher Skepsis ist die Beurteilung einhellig positiv. Die Sitzungen haben uns sehr geholfen, Strukturprobleme des Vereins anzusprechen, Bearbeitungsmechanismen für uns zu erarbeiten und Sicherheit und Bestätigung für unsere Arbeit zu finden. Es wäre sehr schön, wenn wir die Möglichkeit hätten, diese Unterstützung weiterzuführen. Ein spürbares (kleines) Ergebnis der Supervision: zu Beginn jeder Vereinssitzung machen wir ein kurzes Blitzlicht. Hier kann jede/r sagen, wie es ihr/ihm geht und sie/ihn im Moment beschäftigt.
Seminare – vom 4.4.-6.4.2003 und vom 9.1.-11.1.2004 sind wir wieder in den Genuss von Weiterbildung im Liborianum gekommen. Stellvertretend für alle, die am Zustandekommen und Umsetzen der Seminare beteiligt waren, sei hier nochmals H. L. gedankt. Wir kommen immer wieder gerne ins Liborianum um zu lernen und aufzutanken.
Missionierung – über diesen Punkt wurde ausführlich diskutiert. Festgestellt wurde, dass der Verein parteilich und religiös unabhängig ist und dies auch dezidiert bleiben soll, weil das eine der Stärken des Vereins ist. Mitglieder, die ihre Religion intensiver einbringen möchten, müssen dies erkennbar neben (!) der „normalen Vereinsbetreuung“ machen. Religiöse Betreuung soll nur auf ausdrücklichen Wunsch des Häftlings erfolgen. I. will z.B. versuchen, Bibelstunden anzubieten. Dies soll mit Herrn Möller besprochen werden (Raumfrage, Zeit etc.).

•  European Home Care: Das DRK ist aus der psycho-sozialen Betreuung in Büren ausgestiegen. Stattdessen hat das Land die Privatfirma European Home Care unter Vertrag genommen. Die Privatisierungstendenzen halten also unverändert an. Wir sind bemüht, die Mitarbeiter von EHC zu einem Kontaktgespräch in den Verein einzuladen. Die Häftlinge berichten, dass sie bei EHC telefonieren können, allerdings in der Regel nur gegen Erstattung der Kosten. Negative Meldungen haben uns bislang nicht erreicht.

Verschiedenes: Zum Schluss noch ein paar gesammelte Stichworte:
Anti-Kriegs-Aktionen – der Verein hat die in Paderborn gegen den Irak-Krieg organisierten Veranstaltungen und Aktionen mit Interesse und Sympathie begleitet und einzelne Mitglieder haben sich beteiligt.
Abschiebungen mit deutschen Papieren – zu den Kuriositäten gehört der Versuch (teilweise mit, teilweise ohne Erfolg) Häftlinge mit deutschen Papieren in ihre Geburtsländer abzuschieben. Leidtragende sind in jedem Fall die Abgeschobenen. Sie bekommen entweder in ihrem Herkunftsland Probleme oder werden wie Pakete zwischen Deutschland und ihrem Geburtsland hin und her geschoben. Letzte protokollierte Fälle waren die von Nepalesen im Juni 2003.
Indischer Unabhängigkeitstag am 15.8./Ende Ramadan – A. und F. bereiteten für die Häftlinge – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten – wieder ein Fest zum Ende des Fastenmonats Ramadan vor. Erstmalig im vergangenen Jahr konnte F. mit den indischen Häftlingen den Unabhängigkeitstag im Knast begehen.
Gäste – Gäste sind in der letzten Zeit rar geworden. Insbesondere die PolitikvertreterInnen meiden uns in der letzten Zeit. Bei Durchsicht der Protokolle konnte ich nur den Namen von Bernhard von Grüneberg (MdL, SPD) und den des Integrationsbeauftragten der Landesregierung NRW, Herrn Dr. Klaus Lefringhausen (MdK) lesen. Das Thema Abschiebehaft hat offensichtlich für die politischen Vertreter keine hohe Bedeutung mehr.

•  Schlussbemerkungen: Der Verein wird in diesem Jahr 10 Jahr alt. Ob es uns gelingen wird, eine große Feier mit Konzert etc. zu organisieren, bleibt abzuwarten. Festzustellen bleibt nach 10 Jahren: es hat sich nicht viel geändert. Die Haftbedingungen sind an einigen Stellen verbessert worden, aber Haft ist immer noch ein die Freiheit beschneidendes unangemessenes Mittel. Politisch ist die Abschaffung der Abschiebehaft kein Thema mehr, wenn sie es denn je gewesen ist. Was sich verändert hat, sind die Schicksale der meisten Häftlinge. Jetzt haben wir überwiegend mit Männern zu tun, die lange in Deutschland war, hier sogar geboren wurden, teilweise verheiratet sind, Familie hier haben und nun abgeschoben werden. Die Probleme sind deshalb andere, aber nicht einfacher. Unsere Wut und unser Unverständnis bleiben. Wir wünschen uns allen, Kraft und Entschlossenheit, sich dem Unrecht nicht geschlagen zu geben. In diesem Sinne weiter im nächsten Jahr.